von Ulla Kremsmayer, 16. Sep. 2015
Letzte Woche waren sie gekommen, mindestens 20 Säcke und Taschen schleppen sie in ihre Zimmer, Ergebnis ihrer „Arbeit“ in Traiskirchen: Zur Untätigkeit verdammt und nach der langen Flucht völlig mittellos, sammelten sie alles, was Hilfsbereite gespendet hatten. Längst führt kein Weg mehr vorbei zu ihren Betten.
Kein Wort einer Fremdsprache, ich muss Nadja, die Übersetzerin einschalten, von lieben Nachbarn, die bei der Ofid arbeiten, alarmiert. Sie erklärt ihnen, dass nur das Wichtigste ins Haus gehört, der „Rest“ in der Garage verstaut werden muss, sie fragt auch, auf meine Bitte, ob sie Hunger hätten, sagt mir aber gleich, sie würden nein sagen und sich trotzdem freuen, wenn sie eingeladen werden. Also wird einmal gegessen, sie fotografieren alles mit ihren Handys - und schicken es an ihre Familien, die in Lagern in der Türkei leben. Zum Kaffee kommt ein Freund mit ägyptischen Wurzeln und übersetzt ihnen die ersten Schritte. Montag ins Gemeindeamt, zur Schule, zur Bank, um ein Girokonto einzurichten, damit dort in ein paar Wochen die Grundversorgung landen könne.
Sonntag, zum Höfefest nehme ich sie mit auf Tour. Freilich habe ich ein wenig Bammel vor den Reaktionen, aber die Groß-Enzersdorfer sind überwältigend. Alle Bekannten begrüßen meine neuen Begleiter herzlich, und die freuen sich sehr darüber: „Grüß Gott“ können sie schon sagen und „danke“. Frau H. steckt mir Geld zu, für die Schulsachen, die die Buben sicher brauchen werden. Den Syrern gefällt die Volkstanzgruppe, sie klatschen den Takt mit, sie lauschen dem Kirchenchor und staunen über die fremden Klänge. Dann verlieben sie sich in die verrückten Räder, die in der Elisabethstraße bereit stehen, von dort sind sie nicht mehr wegzubringen.
Am Montagmorgen rufe ich in der Volksschule an, die Direktorin weiß bereits Bescheid, wir sollen nur kommen. Sie erzählt, dass sich zwei pensionierte Lehrerinnen gemeldet hätten, die zuerst
einmal mit den Kindern Deutsch lernen würden, ich bin gerührt. Also morgen erster Schultag - die Väter wollen auch mit in die Schule, nein, das geht leider nicht. Dienstag früh, die Buben, sauber
herausgeputzt, gehen in die Klasse. Dort warten auf ihren Plätzen schon Stifte und Hefte, alles von Eltern der Mitschüler gesammelt, wieder kommen mir die Tränen. Die Welle der Hilfsbereitschaft
ist enorm, eine Nachbarin kroatischer Herkunft will uns Geld geben, unsere Zugehfrau, auch gebürtige Kroatin, ist ebenso nicht zu halten, sie war selbst jahrelang Flüchtling, erfahren wir jetzt,
sie putzt lange und will keinen Lohn dafür. Beim Sturmfest spendiert der Bürgermeister Traubensaft, am Samstag die Gemüsestandler des Frischemarkts einen großen Sack Äpfel und Melanzani.
Derweil sind die Väter nicht im Zaum zu halten, sie putzen den Garten, das Haus. Aber wir haben doch gesagt, dass sie nicht arbeiten müssen, ja gar nicht dürfen. Am Freitag erwische ich sie beim Laubrechen in der Gasse. Leider kann die Gemeinde niemanden schicken, der die vielen Laubhaufen abtransportiert. Ich muss den Bürgermeister noch einmal bitten, die Männer für kommunale Hilfsdienste einzusetzen, es ist die einzige legale Möglichkeit, sie zu beschäftigen. Sie wollen nicht untätig sein, und sie wollen auch dankbar sein dürfen.
Kleine Erfolgsmeldung zum Schluss: Die ersten Buchstaben werden bereits stolz gemalt und sowohl die Väter als auch die Söhne können schon einwandfrei bis zehn zählen.
Es sind noch keine Einträge vorhanden.